Christiane Lucia Ziller
Meinen ersten Atemzug machte ich 1963 in einem Harz-Städtchen am Fuße des Brocken. Die Stadt meiner Jugend war Nordhausen, studiert habe ich in Leipzig und Berlin (Dipl. Musikwissenschaft). Ich heiratete früh und bekam noch während des Studiums meine beiden Söhne, die daher schon längst erwachsen sind und ihrer eigenen Wege gehen. Als Mutter berufstätig zu sein war für mich selbstverständlich.
Familiär sind Preußen und Thüringen in mir eine dauerhafte Allianz eingegangen. Ich wuchs hinein in eine protestantisch motivierte Opposition gegen staatliche Bevormundung, für die ich z. T. rigide Strafmaßnahmen erdulden musste. Aus politischen und persönlichen Gründen gab es daher in meinem Leben immer wieder große Veränderungen. Rückblickend sind drei große Abschnitte erkennbar:
Von 1980–1989 standen Musik und v. a. die Oper im Vordergrund.
Neben bzw. nach dem Studium waren die Dresdener Semperoper (Regieassistenz bei Prof. Herz und Christine Mielitz in der Spielzeit der Wiedereröffnung nach dem Wiederaufbau, 1984/85) und das Freiberger Stadttheater (Dramaturgie) die wichtigsten Stationen. Ich war beteiligt an diversen Neuinszenierungen und Wiederaufnahmen, besonders eindrücklich waren „Der Rosenkavalier“, „La Traviata“ und „Ariadne auf Naxos“. Regie zu führen hätte gut auch mein Lebensinhalt werden können. Statt dessen begann mit dem Umbruch in der DDR eine Lebensphase, die ganz der aktiven politischen Arbeit gehörte.
1989–2010 wurde die Demokratie mir Beruf und Berufung.
Ich engagierte mich parlamentarisch und außerparlamentarisch, bezahlt und unbezahlt, als Vorstand oder Geschäftsführung, als Chefin, Assistentin oder Koordinatorin und schließlich als Lobbyistin für einen emanzipatorischen Typ von Kultureinrichtungen, die sog. Soziokulturellen Zentren.
Mein Weg begann während der „Wende“ (Herbst 89) – eher zufällig – beim Demokratischen Aufbruch. Nach eher negativen Erfahrungen mit dieser Partei kehrte ich wieder zur Bürgerbewegung zurück und stellte mich in den Dienst von Bündnis 90. Die folgenden 5 Jahre waren ehrenamtlich geprägt durch Wahlkampfführung und Fusionsverhandlungen, immer in zentraler Position. Mein Geld verdiente ich als wiss. Referentin eines BT-Abgeordneten. 1995 entschied ich mich, meine Position als Mitglied im Bundesvorstand bei Bündnis90/Die Grünen fortan hauptamtlich wahrzunehmen.
Das war eine überaus intensive Zeit. Doch trotz oder wegen all dieser Aktivitäten war in mir stetig der Zweifel gewachsen, ob ich der Demokratie wirklich am besten als Berufspolitikerin dienen könne. Bereits 1996 entschied ich mich gegen eine weitere bezahlte Parteikarriere. Dies war der Moment, in den Osten zurückzukehren, zunächst in die alte Heimat Berlin, 2000 dann nach Brandenburg ins eigene Haus am Nordrand der Hauptstadt. Meinem Engagement für Demokratie und Selbstorganisation blieb ich aber haupt- wie ehrenamtlich treu.
Mit einer weiteren Ausbildung im „Management von Non-Profit-Organisationen“ im Gepäck übernahm ich Anfang 2000 die Geschäftsführung bei der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren. Das ist eine spezielle Form von selbstorganisierten Kultureinrichtungen, deren Arbeit ebenfalls vorrangig der Demokratisierung dient, mit Mitteln von Kunst, Kultur und Bildung. 2005 ergab sich dann die alternativlose Notwendigkeit, auch noch die Geschäftsführung des Europäischen Netzwerks der Kulturzentren zu übernehmen, um es wiederzubeleben.
Seit 2005 – Coaching statt Management
So viel ich auch leistete, es war nie genug. Diese Erfahrung machen die meisten Engagierten im Non-Profit-Bereich. Langsam reifte in mir der Wunsch, mein umfangreiches Wissen über Demokratie, Selbstorganisation, gewaltfreie Kommunikation und Gruppendynamik an andere weiter zu geben, an MultiplikatorInnen, Führungskräfte, Vereinsmitglieder, statt mich selbst im Management einer Akteursgruppe weiter zu verausgaben. Berufsbegleitend ließ ich mich daher als Coach und Organisationsberaterin ausbilden, und zwar mit den methodischen Schwerpunkten „systemisch-lösungsorientiert“. Von den Grundthesen dieser beiden Ansätze war ich bereits überzeugt, als ich noch gar nicht wusste, dass sie schon jemand formuliert hatte. Seit 2007 war und bin ich nun auch als Coach tätig.
Notbremse 2009
Ende 2009 kam, was wohl unvermeidlich war. Mein bis dahin überaus aktives Leben forderte seinen Tribut. Ein schweres Burnout erzwang früher als geplant den Ausstieg aus dem Management-Job, die erstrebte bundesweite Tätigkeit als Coach und Organisationsberaterin musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden, verschiedene Krankheiten und ihre Folgeerscheinungen schränken seither meinen Handlungsspielraum ein.
Doch auch „erwerbsunfähig“ muss man nicht untätig sein. In geringem Umfang coache ich wieder. Auch ein kleines bisschen Ehrenamt geht, für die hiesige Kirchengemeinde. Und natürlich sind da die Handarbeiten, die mein Leben ausfüllen.
Was noch?
Musik ist noch immer ein fester Bestandteil meines Lebens, allerdings praktiziere ich kaum noch selbst. Mein Lieblingskomponist ist Richard Strauß (und daneben Richard Wagner, Sergej Rachmaninow, Erich Korngold, Werner Egk und Hanns Eisler, aber auch Gerhard Schöne höre ich gern und Element of Crime …). Der Ort meiner Sehnsucht ist Althagen auf dem Fischland. Ich geh gern ins Kino („Drama, Baby, Drama“) und bin für meine Söhne da, wann immer sie mich noch brauchen.
Christiane Lucia Ziller, 2014